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1848 war Geburtsstunde der Demokratie in Österreich

Neues Bulletin des Geschichtsvereines für Kärnten mit Schwerpunkt zum 175. Jubiläum des Revolutionsjahres erschienen. Redaktion sammelte spannende Beiträge von 14 Autorinnen und Autoren.

Wissen Sie, was im Jahr 1848 war? – Dass sich das Revolutionsjahr heuer zum 175. Mal jährt, wurde in der breiteren österreichischen Öffentlichkeit bislang kaum wahrgenommen. Dabei wirkt es bis heute bedeutend nach: „Alle demokratischen Grundrechte und Freiheiten, die uns im Alltag selbstverständlich scheinen, sind 1848 erkämpft worden“, erklärt Wilhelm Wadl, der Direktor des Geschichtsvereines für Kärnten. Das gerade erschienene Bulletin des Geschichtsvereins ist daher auch schwerpunktmäßig dem Revolutionsjahr 1848 gewidmet. Das Redaktions-Duo Heidi Rogy und Peter Wiesflecker konnte dafür wiederum eine Reihe renommierter Autorinnen und Autoren gewinnen. Das Bulletin beinhaltet aber auch spannende Berichte aus dem Vereinsleben und Geschichten, die Begegnungen mit der Kärntner Geschichte in unterschiedlichen Epochen ermöglichen. So hat Theodor Domej vor rund 20 Jahren in St. Petersburg originale Gailtaler Trachten wiederentdeckt, die 1867 für eine Ausstellung nach Russland gingen. Die steirische Historikerin Elke Hammer-Luza konnte zwei bisher anonyme Wanderer identifizieren, die 1846 rund 270 Kilometer von Graz über Kärnten nach Italien zurücklegten. Einer der beiden fertigte danach eine launige Reisebeschreibung an. Das Bulletin kann um zehn Euro beim Geschichtsverein oder über den Buchhandel erworben werden.

„Das Revolutionsjahr 1848 ist die Geburtsstunde der Demokratie in Österreich“, schreibt Wadl in seinem Bulletin-Beitrag. So fanden innerhalb weniger Wochen auf mehreren politischen Ebenen – Landtag, österreichischer Reichstag, deutsche Nationalversammlung – zum ersten Mal Wahlen statt. „Parteien im modernen Sinn fehlten noch völlig. Fast alle Kandidaten waren aber in Organisationen verankert, in der Landwirtschaftsgesellschaft, im Industrie- und Gewerbeverein oder auch im Geschichtsverein“, so der Historiker. „Außerdem wurden damals aus Untertanen gleichberechtigte Staatsbürger – und zwar durch die sogenannte Grundentlastung. Für 80 Prozent der Kärntner Bevölkerung endete quasi das Mittelalter mit seinen feudalen Abhängigkeiten und Bindungen erst 1848“, erklärt Wadl weiter. „Dass es Kärnten heute als Bundesland gibt, verdanken wir auch 1848“, betont der Direktor des Geschichtsvereines. Es erhielt im Revolutionsjahr nämlich wieder den Status eines selbständigen Kronlandes im Verband der Habsburgermonarchie.

Während die Revolution in anderen Teilen des Reiches auch blutig verlief, war Kärnten ein weitgehend ruhiger Nebenschauplatz des Revolutionsgeschehens. Auch hier gab es aber Demonstrationen gegen Preiserhöhungen, Krawalle gegen italienische Gastarbeiter sowie gewalttätige Konflikte um Jagd- und Fischereirechte. „In Ungarn wurde die Revolution 1849 niedergeschlagen. Der kapitulierende General Arthur Görgey wurde aber nicht wie andere Anführer des Aufstandes hingerichtet, sondern nach Klagenfurt verbannt. Hier wurde er – zum Missvergnügen der Polizeispitzel – rasch zum willkommenen Gast Industrieller und Adeliger“, erzählt Wadl.

Und wie sah es in Klagenfurt aus? – Dort wurde im Gegensatz zu anderen Städten schon am 23. Mai 1848 ein provisorischer Gemeinderat gewählt. 1850 erhielt Klagenfurt die Rechtsstellung einer autonomen Stadt und wurde in Folge wieder zur vollwertigen Landeshauptstadt. Wadl berichtet zudem, welche Personenkreise mit der Errichtung von Gemeinden (1850) zu Bürgermeistern gewählt wurden: „Teilweise übernahmen ehemalige Grundherren das Amt und zu einem Drittel waren es größere Bauern. Auffällig ist auch die führende Rolle von Gastwirten unter den ersten Bürgermeistern. Weil es nirgends Gemeindeämter gab, bot sich das Dorfwirtshaus förmlich als Gemeindezentrum an.“

Zeitlich etwas später setzt der Beitrag des Slawisten und Historikers Theodor Domej an. Er nahm 2001 und 2002 in St. Petersburg an Sprachkursen teil. Diese Gelegenheit nutzte er, um im dortigen Museum für Ethnographie nach besonderen Exponaten zu suchen. Domej wusste nämlich, dass der Kärntner Priester Matija Majar-Ziljski (Matthias Mayer) im Jahr 1867 Untergailtaler Trachten für eine – unter den slawischen Völkern viel beworbene – ethnographische Ausstellung nach Moskau gesandt hatte. Domej gelang es tatsächlich, einige der Objekte aus dem Gailtal in St. Petersburg zu fotografieren. Laut einem alten Ausstellungskatalog war unter den Objekten der Ausstellung 1867 auch eine Reiterfigur mit Utensilien des Kufenstechens zu sehen gewesen, wie Domej in seinem Beitrag ausführt.

Eine Entdeckung hat auch Elke Hammer-Luza vom Steiermärkischen Landesarchiv gemacht. Dieses verwahrt einen anonym verfassten Reisebericht aus dem Sommer 1846. Hammer-Luza gelang es, den Künstler Vinzenz Porkerth als Urheber zu identifizieren. Dieser wanderte als damals 22-Jähriger gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Hermann zu Fuß von Graz über Kärnten nach Italien. Der Bericht ist laut Hammer-Luza nicht nur sehr launig und sprachgewandt verfasst, sondern auch mit zahlreichen Bleistiftzeichnungen illustriert. In Kärnten besichtigten die Brüder unter anderem die Eisenhütte in Frantschach, das Schloss Wolfsberg, die Kreuzkapelle in Arnoldstein und sie bestiegen auch den Turm der Klagenfurter Stadtpfarrkirche St. Egid.

Informationen unter: https://geschichtsverein.ktn.gv.at

Redaktion: Markus Böhm, Pressereferent und Mitglied im Beirat des Geschichtsvereines

Diese aufwendig gearbeitete Schürze aus der Ausstattung einer Braut schickte Matija Majar-Ziljski 1867 zur Ausstellung nach Moskau. © Theodor Domej
Diese aufwendig gearbeitete Schürze aus der Ausstattung einer Braut schickte Matija Majar-Ziljski 1867 zur Ausstellung nach Moskau. © Theodor Domej

Die Familie des Türmers der Klagenfurter Stadtpfarrkirche wurde 1846 von Weitwanderer Vinzenz Porkerth gezeichnet. © Steiermärkisches Landesarchiv
Bild02: Die Familie des Türmers der Klagenfurter Stadtpfarrkirche wurde 1846 von Weitwanderer Vinzenz Porkerth gezeichnet. © Steiermärkisches Landesarchiv
Die Schützenscheibe aus dem Jahr 1848 zeigt einen Nationalgardisten mit deutscher Bundesfahne. © Kärntner Landesarchiv
Bild01: Die Schützenscheibe aus dem Jahr 1848 zeigt einen Nationalgardisten mit deutscher Bundesfahne. © Kärntner Landesarchiv

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